Wie Ökotourismus helfen kann Haie zu schützen
Ankommen auf Shark Island
Nachdem wir den Trip bereits ein halbes Jahr im Vorfeld geplant hatten, war es im April 2024 endlich soweit: Wir erreichten mit einer Propeller-Maschine den winzigen Flughafen dieser kleinen 9000 Einwohner Insel ganz im Süden der Malediven. Um die Insel herum gibt es kein Atoll und nichts als den wunderschönen Indischen Ozean. Wegen dieser geografischen Gegebenheiten, fällt die Riffwand der Insel auf ungefähr 2000m hinab, weshalb die Bedingungen zum Finden von großer ozeanischer Megafauna besonders gut sind. Unter der Oberfläche des türkisblauen Wassers wartet auf uns der Grund, weshalb wir diese weite Reise auf uns genommen haben: Haie. Denn Fuvahmulah ist auch bekannt als „Shark Island“ und bereits beim Verlassen des Flughafengeländes begegneten uns die ersten Wandzeichnungen an Häusern mit verschiedenen Haiarten.
Und auch wenn man mit etwas Glück mehr als nur eine Haiart in diesem Gebiet treffen kann, waren wir hauptsächlich für eine von ihnen hier. Der Hai, auf den wir hier hofften zu treffen, zählt zu den Spitzenprädatoren unseres Planeten. Er kann über 6 m groß werden und verdankt seinen Namen den unverwechselbaren Streifen auf seinem Rücken: der Tigerhai.
Protect What You Love
Man könnte sich an dieser Stelle die berechtigte Frage stellen, warum um alles in der Welt wir ausgerechnet diesen Tieren, die potentiell gefährlich für dem Menschen sein können, absichtlich nahe kommen wollen. Doch eine einfache Antwort gibt es hierauf nicht. Vielleicht ist es die Faszination von Haien, seitdem wir 2020 das erste Mal mit Sandtigerhaien getaucht sind. Vielleicht waren es auch unsere Fotografen-Herzen, die von Aufnahmen von Tigerhaien schon immer besonders begeistert waren. Zum Teil lag es aber auch sicher daran, dass ausgerechnet der Ökotourismusanbieter Protect What You Love (PWYL) diese Reise veranstaltet, da wir bereits seit längerer Zeit große Fans ihrer Mission sind.
PWYL wurde von einer Gruppe leidenschaftlicher Oceanlover und Unterwasserfotografen des Ningaloo Riffs in Western Australia gegründet, zu einer Zeit, wo Haie in den Medien zunehmend dämonisiert wurden und immer mehr Arten vom Aussterben bedroht sind. Ihr Ziel ist es, mithilfe der gleichnamigen Kleidungs-Marke, ihre Liebe für Tigerhaie sichtbar zu machen, andere Menschen dadurch auf den Wert der Haie für das Ökosystem Meer aufmerksam zu machen und so zu deren Schutz beizutragen. Über Instagram und YouTube teilen sie spannende Fakten über Haie und andere Arten des Ningaloo Riffs, klären über Bedrohungen auf, denen die Tiere ausgesetzt sind, und stecken viele Menschen weltweit mit ihrer Begeisterung für diese an.
2023 bot PWYL das erste Mal eine Expedition auf Fuvahmulah an, damit Menschen die Möglichkeit bekommen, dieses majestätische Tier, das das Logo von PWYL ziert, aus nächster Nähe erleben zu können. Denn ihre Mission ist so einfach wie genial: Du musst etwas kennen, damit du es liebst. Du musst etwas lieben, um bereit zu sein, dich für seinen Schutz einzusetzen.
Gleichzeitig geht ein großer Teil der Einnahmen für die Expedition an lokale NGOs, um so zum direkten Schutz vor Ort einen Beitrag zu leisten.
Unser Aufenthalt auf Fuvahmulah mit PWYL war für 7 Tage/6Nächte mit insgesamt 15 Tauchgängen geplant. Untergebracht wurden wir in einem Hotel auf der Insel und für Verpflegung und Transport auf der Insel war rundum gesorgt. Nach einem sehr herzlichen willkommen direkt am Flughafen von Tom Cannon der die Expedition leitet und dem restlichen PWYL Team, unserem ersten magischen Sonnenuntergang am Strand und einem gemeinsamen Abendessen, bei dem wir auch die anderen 6 Teilnehmenden kennenlernten, gingen wir voller Vorfreude ins Bett. Denn am nächsten Tag sollten wir endlich die Chance bekommen, mit Tigerhaien zu tauchen. Die Wochen voller Vorbereitungen und Planung, um dies zu erleben, sollten sich nun endlich auszahlen.
Auge in Auge mit einem Spitzenprädator
Während Tim sich vor allem fotografisch auf diesen Moment vorbereitet hatte, und unzählige Bilder anderer Fotografen analysierte, wälzte Julia schon Monate zuvor Bücher, um möglichst alles über die Tiere zu lernen und schaute jedes Video über Dos und Don’ts beim schwimmen mit Haien, welches sie im Internet finden konnte. Dennoch war die Aufregung groß, als wir am nächsten Morgen unser erstes Tigerhai-Briefing von Tom und Jono erhielten und uns klar wurde, dass wir diesen Spitzenprädatoren bald Auge in Auge gegenüber sein würden.
Teil des ersten Briefings waren nicht nur wichtige Hinweise zu den Tauchgegebenheiten, dem Ablauf und wie wir uns bei einer Sichtung verhalten sollten, sondern es folgte auch ein Check Dive, bei dem die Guides unsere Tauchfähigkeiten einschätzen konnten und die Ausrüstung gecheckt wurde, ehe es zu den Haien ging. Zu sehen wie viel Wert bei PWYL auf Sicherheit gelegt wurde und zu wissen, dass mit unserer 8-köpfigen Gruppe, in der sich auch ein ausgebildeter Rettungsschwimmer befand, insgesamt 4 Guides tauchen würden, nahm mir meine anfängliche Nervosität, doch die Aufregung blieb groß.
Nach dem Check Dive und einem weiteren Tauchgang zur Mittagszeit, hieß es am Nachmittag endlich, dass wir nun den Tigerhai-Tauchgang angehen würden.
Die Fahrt zum Tauchspot dauerte gefühlt nur einen Wimpernschlag, denn direkt hinter dem Hafenbecken hieß es, wir sollen ins Wasser springen. Zuerst gingen zwei der Guides zu beiden Seiten des Bootes ins Wasser und stellten sicher, dass nicht direkt unter dem Boot der erste Hai auf uns wartete. Nun durften wir rein. Ab dem Moment, wo wir im Wasser landeten, waren wir dazu angehalten unseren Blick stets nach unten und aufmerksam um uns herum zu halten. Langsam sanken wir am Riff hinab, sodass wir zu unserer Rechten das Riff und zu unserer Linken den offenen Ozean hatten. Und tatsächlich, bereits nach wenigen Metern des Tauchens in Richtung Eingang des Hafens, erblickten wir den ersten Hai hinter uns. Zuerst sahen wir ihn nur schemenhaft, doch sehr schnell war klar: das hier passiert jetzt wirklich! Da sind direkt neben uns Tigerhaie und die sind nicht mehr zu vergleichen mit den kleinen Riffhaien, die wir sonst so oft bei unseren Tauchgängen sahen.
Mit pochendem Herzen mussten wir uns schon regelrecht zwingen, nicht vor Aufregung die Luft anzuhalten. Der Hai zog an uns vorbei und verschwand wieder im Blauen. Nach ca. fünf Minuten schwimmen erreichten wir das Hafenbecken. Wir positionierten uns wie zuvor besprochen nebeneinander, mit dem Rücken zum offenen Ozean und den Blick Richtung Hafeneingang gerichtet. Dort gibt es auf ca. 07-10 Metern Tiefe einen kleinen Steinhaufen, unter dem die Köder platziert werden. Damit wird verhindert, dass die Tiere direkt aus der Hand oder Köderboxen gefüttert werden und gleichzeitig müssen die Tiere sich ihr Fressen noch immer zu einem Teil „erarbeiten“ und gelangen nicht zu leicht daran. Ich war eine der letzten in der Gruppe, die an der Stelle ankam, weshalb ich auf meiner Rechten nur noch Dani hatte, der ebenfalls für PWYL arbeitet und ein ausgebildeter Tauchguide ist. Tim saß zu meiner Linken.
Alle paar Sekunden schwenkten wir den Blick in alle Richtungen, doch keine Haie in Sicht. Also schwamm Lonu, einer der Guides und eine Legende auf Fuvamulah, zu dem Steinhaufen und gab mit seinem Atemregler ein Signal an die Oberfläche. Kurz darauf fuhr ein Boot über uns hinweg und ein Fischkopf wurde direkt über Lonu ins Wasser geworfen. Dieser fing ihn gekonnt auf, platzierte den Kopf so schnell es ging unter den Steinen und zog sich zügig wieder zurück.
Was uns anschließend wie eine Ewigkeit vorkam, dauerte dann doch nur wenige Minuten, bis die ersten Haie auftauchten. Und auch wenn uns bewusst war, dass sie auch nah an uns heran kommen würden, setzten dennoch unsere Herzen für einen Schlag oder zwei aus, als der erste Tigerhai direkt auf uns zu schwamm und erst 1-2 Meter vor uns abdrehte. Für diesen ersten Tauchgang mit Tigerhaien wurden wir gebeten diesen ohne Kamera zu absolvieren, damit wir uns ganz auf den Moment einlassen und ihn genießen können. Und auch wenn unsere Fotografen-Herzen bluteten, so sind wir gleichzeitig unheimlich dankbar für diese Entscheidung, da wir den Tauchgang ganz fest in unserem Kopf gespeichert haben.
Wie man richtig mit Haien taucht
In der ganzen Zeit in der wir bei den Haitauchgängen vor dem Hafenbecken die Tiere beobachteten, waren immer zwei Guides hinter unserer Gruppe und zwei Guides zu unseren Seiten. Zusätzlich waren die beiden erfahrensten Taucher unserer 8-köpfigen Truppe immer am Rand. Und natürlich behielten auch wir anderen immer die Augen in alle Richtungen offen, denn bei solchen Tauchgängen ist es die Verantwortung eines jeden einzelnen, immer zu 100% aufmerksam zu sein. Schnell merkten wir, dass unsere Guides wirklich Profis im Umgang mit den Haien sind und lernten in der Woche sehr viel von ihnen zum richtigen Verhalten beim Tauchen mit Prädatoren. Das wohl bemerkenswerteste war, dass in der gesamten Zeit unter Wasser, keiner unserer Guides je in eine Situation geriet, wo er den Hai hätte umlenken, also berühren müssen. Oft reicht es schon, den Tieren wenn sie näher kommen, in die Augen zu blicken, und sie wenden sich ab. Viel zu oft sieht man auf YouTube und Instagram Videos, in denen die Tauchenden die Situationen provozieren, um die Haie umlenken zu müssen. Doch jede Berührung mit Meereslebewesen sollte vermieden werden. Wichtig ist auch, sich nicht plötzlich hektisch zu bewegen, sondern ruhig zu bleiben. Und immer, auch wenn ein Hai sich nähert, den Rest der Umgebung weiter im Blick zu behalten, denn man weiß nie, ob nicht noch ein zweiter Hai aus einer anderen Richtung heran geschwommen kommt.
Die Tigerhaie von Fuvamulah
Die Geschichte der Tigerhaie Fuvahmulahs und ihre Verbindung zu den Menschen der Insel ist bereits über 600 Jahre alt, als die Fischer begannen, ihre Fischreste täglich am Hafen ins Wasser zu werfen und damit den Haien eine regelmäßige leicht zu erhaltene Mahlzeit boten. Tigerhaie sind Opportunisten. Das bedeutet, sie ergreifen jede Gelegenheit, um an leichte Beute zu kommen, für die sie nicht viel Energie aufwenden müssen und suchen sich aus Fischschwärmen meist kranke und alte Tiere aus. Dies wiederum ist wichtig, damit die Fischbestände gesund bleiben. Neben Meeressäugern und Schildkröten steht auch Aas auf ihrer Speisekarte, womit die Haie den Ausbruch und die Verbreitung von Krankheiten verhindern. Als an der Spitze der Nahrungspyramide stehende Tiere regulieren Haie die Populationen ihrer Beutetiere, halten diese in einem natürlichen Gleichgewicht und verhindern somit eine zu starke Vermehrung solcher Arten. Damit spielen Tigerhaie eine bedeutsame Rolle im marinen Ökosystem.
Durch die Fischreste, die regelmäßig am Hafen im Wasser landeten, wurden die Tigerhaie zu einem festen Bestandteil Fuvahmulahs und es dauerte nicht lange, bis die Fischer begannen, die Haie zu jagen, vorrangig, um mit dem Öl aus ihrer Leber ihre Boote wasserfest zu versiegeln. Viele Jahre wurden aus diesem Grund die Tiere getötet, ehe 2010 die Hai-Fischerei in allen maledivischen Gewässern verboten wurde und ein mutiger Mann der Insel beschloss, mit den Tieren tauchen zu gehen. Sein Name ist Lonu und zum Erstaunen aller Inselbewohner, überlebte er seinen ersten Haitauchversuch und wiederholte ihn wieder und wieder, bis er 2015 „Shark Island Dive“, die erste Tauchschule auf Fuvahmulah, eröffnete. Seitdem hat sich das Hai-Tauchen auf der Insel fest integriert und ist zu dessen Markenzeichen geworden. Shark Island war geboren.
Da die Haie es seit Generationen gewohnt sind, Fischreste am Hafenbecken zu erhalten, nutzen die ansässigen Tauchschulen dies, um den Tauchenden ein unvergessliches Erlebnis mit den Haien zu ermöglichen. Sollten nicht sowieso schon Tigerhaie am Zugang des Hafenbeckens anwesend sein, werden einzelne Fischköpfe, die Abfälle der lokalen Fischerei sind, ins Wasser gelassen und von den Guides unter den bereits erwähnten kleinen Steinhaufen gelegt. Sind die ersten Haie da, werden auch keine weiteren Fischreste mehr ins Wasser geworfen, sondern die Tiere werden in Ruhe und mit großer Achtsamkeit beobachtet.
Probleme Fuvahmulahs
So entwickelte sich eine Insel mit einer Jahrhunderte alten Geschichte der Haijagd, zu einer Insel, auf der eine Co-Existenz mit den Haien ein wesentlicher Bestandteil der lokalen Wirtschaft geworden ist. Denn selbst wenn man die rein wirtschaftliche Seite des Hai-Tourismus betrachtet, ist es wesentlich lukrativer mit einem Hai immer wieder Geld zu verdienen, indem man Touristen die Möglichkeit gibt mit Ihnen zu tauchen, als wenn man den Hai tötet und somit nur einmal mit ihm Geld zu verdienen. Allerdings gibt es weitere Bedrohungen für die Tiere und alle anderen Meereslebewesen Fuvahmulahs, die nicht weniger gefährlich als die Haijagd für sie sind. Auch auf einer kleinen Insel wie Fuvahmulah ist der Konsum von in Plastik verpackten Lebensmitteln allgegenwärtig und es gibt wenige Wasserfilter, sodass Trinkwasser zumeist aus Einweg Plastikfalschen getrunken wird. Jedoch fehlt die notwendige Infrastruktur, um diesen Müll zu recyceln. Daher wurden die Müllberge der Insel mit den Jahren größer und größer und vieles davon landet immer wieder im Meer, entweder durch den Wind oder wird durch Sturmfluten abgetragen oder von Menschen direkt ins Meer geworfen. Und auch wenn der Eco-Tourismus zum Schutz der Haie beiträgt, bringt er auch seine Schattenseiten mit sich. Denn mehr Touristen auf der Insel bedeuten auch mehr Plastik und die Gefahr ist immer groß, dass die Tauchgänge schnell im Massentourismus enden, wo Tiere bedrängt werden und die Sicherheit der Tauchenden in Gefahr gerät.
Doch es gibt viele Menschen, die sich für die Haie einsetzen und versuchen den Tourismus nachhaltig zu gestalten. Einer dieser Menschen ist Jono Allen, der 2020 das erste Mal auf die Insel kam und dort Lonu kennenlernte. Nach einigen Tagen, die die beiden gemeinsam Tauchen gingen, kam es zu einer schicksalhaften Begegnung. Die beiden waren noch auf dem Boot, als sie einen Walhai entdeckten. Als Jono im Wasser einen Blick auf das Tier warf, sah er, dass es komplett mit großem Plastik-Fischergarn umwickelt war. Er rief Lonu zu, er bräuchte schnell ein Messer und Lonu sprang ohne zu zögern mit halb angezogenen Neoprenanzug ins Wasser und befreite das Tier, das sich bereits in 10 Meter Tiefe befand, mit nur einem Atemzug aus seiner tödlichen Plastikfalle. Dieses Erlebnis hat Jono und Lonu so sehr ergriffen, dass die beiden beschlossen, den Plastikmüll der Insel zu bekämpfen.
Jono und Lonu gründeten gemeinsam die Fuvahmulah Marine Foundation (FMF), dessen Ziel es ist, das marine Ökosystem um Fuvahmulah zu schützen. Einer ihrer größten Erfolge dabei war ein gemeinsames Abkommen mit den ansässigen Tauchschulen, bestimmte Regeln zum Schutz der Tiere und Tauchenden festzulegen. So dürfen nun nicht mehr mehrere Tauchgruppen gleichzeitig am Hafenbecken tauchen. Jede lokale Tauchschule hat pro Tag zwei Zeitslots. Diese können bei gegenseitigem Einverständnis untereinander getauscht werden. Tauchgruppen von Außerhalb z.B. von Liveaboards, müssen sich Zeitslots erkaufen und wenn keine lokale Schule ihre abgeben möchte, dann dürfen sie nicht tauchen.
Ein weiteres großes Ziel der Stiftung ist es, alle Plastik-Wasserflaschen von der Insel zu verbannen. Dazu werden an verschiedenen Orten und in Kooperation mit Restaurants und Hotels Wasserfilterstationen errichtet. Natürlich ist so ein ambitioniertes Ziel nicht von einem Tag auf den anderen erreicht und braucht Zeit. Doch mit der Unterstützung von Organisationen wie PWYL, die einen großen Teil ihrer Einnahmen an die FMF spenden, sind bereits 7 solcher Stationen installiert worden (Stand April 2024). Auch ein beträchtlicher Teil des von uns gezahlten Preises für diese Reise, wird durch PWYL direkt an FMF gespendet, um weitere Trinkwasserfilter zu ermöglichen.
Darüber hinaus gründete Jono 2023 gemeinsam mit einer Hand voll lokaler Wissenschaftlern und Hai-Experten Miyaru Programme, einen maledivischen Verein mit der Mission, gemeinschaftlich Hai-Populationen zu studieren, Daten über sie zu sammeln und sie zu schützen. Ein wichtiger Baustein ihrer Arbeit ist dabei ihr data-sharing basierter Ansatz, über welches sie wissenschaftliche Paper und Artikel, Interviews mit Experten sowie eine Übersicht über Forschungsprojekte teilen.
Was wir über Tigerhaie gelernt haben
All diese wertvollen Fakten und Hintergründe lernten wir in unserer Woche auf der Shark Island, wenn Tom und Jono nach einem Tag voller Tauchgänge Präsentationen hielten, Ausflüge mit uns zur Mülldeponie der Insel unternahmen oder uns zu Veranstaltungen anderer lokaler Organisationen und NGOs wie Manta Trust und lokaler Haiforschungsprojekte brachten. Und so lernten wir nicht nur über die Bestrebungen zum Schutz der Tiere unfassbar viel, sondern auch über die Tiere selbst.
Was Tigerhaie in den Augen vieler besonders fotogen macht, sind natürlich ihre wundervollen Streifen entlang ihrer Flanken. Umso jünger die Tiere, umso deutlicher ist die Ausprägung der Streifen und mit zunehmendem Alter verblassen sie mehr und mehr. Und die Streifen sehen nicht nur toll aus, sie haben auch einen wichtigen Nutzen: Sie dienen vor allem zur Tarnung. Da besonders die Jungtiere sich vermehrt in Regionen mit Licht- und Schattenmuster wie Korallenriffen, Seegraswiesen oder sandigen Böden aufhalten, nutzen sie die Streifen um mit ihrer Umgebung zu verschmelzen.
Doch die Streifen sind nicht ihre einzige Superpower. Wie andere Haie auch, haben Tigerhaie einen sechsten und siebenten Sinn: der elektrische und der Druckwellensinn. Über sogenannte Lorenzinische Ampullen am Kopf können die Tiere elektrische Felder wahrnehmen. Da jedes Lebewesen solche Felder durch Muskelkontraktionen, wie zum Beispiel den Herzschlag, produziert, können die Tigerhaie so andere Tiere lokalisieren, sogar wenn diese sich tarnen oder verstecken. Mit ihrem Seitenlinien- und Grubenorgan hingegen können die Haie Druckwellen spüren. Das hilft ihnen dabei sogar über große Distanzen hinweg verletzte Fische zu erkennen, die sich hektisch im Wasser bewegen. Diese besonderen Fähigkeiten machen Haie zu echten Spitzenprädatoren und verlangen gleichzeitig von uns Tauchern, immer Aufmerksam zu sein, wenn wir mit ihnen schwimmen. Denn auch wenn wir nicht auf ihrer Beuteliste stehen, kann ein neugieriger Tigerhai auch uns Menschen gefährlich werden, wenn wir nicht wissen, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten müssen.
Um Fuvahmulah herum findet man vor allem (ca. 85%) weibliche Tigerhaie. Und unter ihnen auch immer wieder trächtige Tiere. Es wird vermutet, dass die Weibchen den Ort vor allem aufgrund des reichen Nahrungsangebots und wärmeren Gewässern aufsuchen, die die Entwicklung der Embryonen im Mutterleib fördern. Tigerhai-Weibchen gebären ca. alle 3 Jahre und sind ovovivipar, was bedeutet, dass ihre Jungen zwar in Eiern heranwachsen, sie jedoch noch im Mutterleib dotterernährt ausgebrütet werden und dort auch schlüpfen.
Und trotz der recht großen Würfe mit 10 bis 82 Jungtieren pro Wurf, wird der Tigerhai von der IUCN als potenziell gefährdet eingestuft. Dies hängt unter anderem stark damit zusammen, dass die Tiere 3 Jahre brauchen, ehe sie fortpflanzungsfähig sind und in dieser Zeit leider oft Opfer der kommerziellen Fischerei werden. So landet er nicht nur immer wieder als Beifang in großen Netzen, sondern wird auf für seine Flossen gezielt gejagt und ist darüber hinaus auch sehr beliebt als Trophäe bei Freizeit-Fischern. Mehr Informationen über Bedrohungen von Haien und ozeanischer Megafauna finden sich auf dieser Seite.
Aus diesem Grund sind Orte wie Fuvahmulah von besonderer Bedeutung für den Erhalt der Art. Ein Ort, wo die Tiere anstatt gejagt bewundert werden und zusätzlich alles getan wird, um die lokale Bevölkerung und Touristen über Schutzmaßnahmen aufzuklären und weitere Bedrohungen wie Umweltverschmutzung zu bekämpfen.
Über neue Freundschaften, unvergessliche Begegnungen & tanzen im Regen
Unsere Tage auf der Insel vergingen wie im Flug und waren definitiv viel zu schnell vorbei. Doch einige Erlebnisse werden uns definitiv für immer in Erinnerung bleiben: Zum einen gab es einen Tauchgang mit der besten Sicht, die man sich vorstellen kann und daraus folgend den perfekten Fotos. Zudem unternahmen wir an unserem vorletzten Tag einen besonderen Tauch-Ausflug an die Riffkante, wo wir die Tiere aus der Tiefe hochkommen sehen konnten. Nie werden wir den Moment vergessen, als nicht nur einer oder zwei, sondern vier wunderschöne Tigerhaie von unten auf uns zu kamen und eins der Tiere wirklich erst in letzter Sekunde abdrehte. Gemeinsam mit unserer kleinen Gruppe und unseren großartigen Guides tanzten wir nach diesem unvergesslichen Tauchgang im strömenden Regen auf unserem kleinen Dhoni (maledivisches Boot). Voll mit Endorphinen und Adrenalin wussten wir noch in diesem Moment, dass dieses Erlebnis uns für immer verbinden wird und wir waren froh, dass wir diesen Besonderen Tauchgang mit neuen Freunden und gleichgesinnten Ocean Lovern erleben konnten.
Wie Ökotourismus helfen kann Haie zu schützen
Ankommen auf Shark Island
Nachdem wir den Trip bereits ein halbes Jahr im Vorfeld geplant hatten, war es im April 2024 endlich soweit: Wir erreichten mit einer Propeller-Maschine den winzigen Flughafen dieser kleinen 9000 Einwohner Insel ganz im Süden der Malediven. Um die Insel herum gibt es kein Atoll und nichts als den wunderschönen Indischen Ozean. Wegen dieser geografischen Gegebenheiten, fällt die Riffwand der Insel auf ungefähr 2000m hinab, weshalb die Bedingungen zum Finden von großer ozeanischer Megafauna besonders gut sind. Unter der Oberfläche des türkisblauen Wassers wartet auf uns der Grund, weshalb wir diese weite Reise auf uns genommen haben: Haie. Denn Fuvahmulah ist auch bekannt als „Shark Island“ und bereits beim Verlassen des Flughafengeländes begegneten uns die ersten Wandzeichnungen an Häusern mit verschiedenen Haiarten.
Und auch wenn man mit etwas Glück mehr als nur eine Haiart in diesem Gebiet treffen kann, waren wir hauptsächlich für eine von ihnen hier. Der Hai, auf den wir hier hofften zu treffen, zählt zu den Spitzenprädatoren unseres Planeten. Er kann über 6 m groß werden und verdankt seinen Namen den unverwechselbaren Streifen auf seinem Rücken: der Tigerhai.
Protect What You Love
Man könnte sich an dieser Stelle die berechtigte Frage stellen, warum um alles in der Welt wir ausgerechnet diesen Tieren, die potentiell gefährlich für dem Menschen sein können, absichtlich nahe kommen wollen. Doch eine einfache Antwort gibt es hierauf nicht. Vielleicht ist es die Faszination von Haien, seitdem wir 2020 das erste Mal mit Sandtigerhaien getaucht sind. Vielleicht waren es auch unsere Fotografen-Herzen, die von Aufnahmen von Tigerhaien schon immer besonders begeistert waren. Zum Teil lag es aber auch sicher daran, dass ausgerechnet der Ökotourismusanbieter Protect What You Love (PWYL) diese Reise veranstaltet, da wir bereits seit längerer Zeit große Fans ihrer Mission sind.
PWYL wurde von einer Gruppe leidenschaftlicher Oceanlover und Unterwasserfotografen des Ningaloo Riffs in Western Australia gegründet, zu einer Zeit, wo Haie in den Medien zunehmend dämonisiert wurden und immer mehr Arten vom Aussterben bedroht sind. Ihr Ziel ist es, mithilfe der gleichnamigen Kleidungs-Marke, ihre Liebe für Tigerhaie sichtbar zu machen, andere Menschen dadurch auf den Wert der Haie für das Ökosystem Meer aufmerksam zu machen und so zu deren Schutz beizutragen. Über Instagram und YouTube teilen sie spannende Fakten über Haie und andere Arten des Ningaloo Riffs, klären über Bedrohungen auf, denen die Tiere ausgesetzt sind, und stecken viele Menschen weltweit mit ihrer Begeisterung für diese an.
2023 bot PWYL das erste Mal eine Expedition auf Fuvahmulah an, damit Menschen die Möglichkeit bekommen, dieses majestätische Tier, das das Logo von PWYL ziert, aus nächster Nähe erleben zu können. Denn ihre Mission ist so einfach wie genial: Du musst etwas kennen, damit du es liebst. Du musst etwas lieben, um bereit zu sein, dich für seinen Schutz einzusetzen.
Gleichzeitig geht ein großer Teil der Einnahmen für die Expedition an lokale NGOs, um so zum direkten Schutz vor Ort einen Beitrag zu leisten.
Unser Aufenthalt auf Fuvahmulah mit PWYL war für 7 Tage/6Nächte mit insgesamt 15 Tauchgängen geplant. Untergebracht wurden wir in einem Hotel auf der Insel und für Verpflegung und Transport auf der Insel war rundum gesorgt. Nach einem sehr herzlichen willkommen direkt am Flughafen von Tom Cannon der die Expedition leitet und dem restlichen PWYL Team, unserem ersten magischen Sonnenuntergang am Strand und einem gemeinsamen Abendessen, bei dem wir auch die anderen 6 Teilnehmenden kennenlernten, gingen wir voller Vorfreude ins Bett. Denn am nächsten Tag sollten wir endlich die Chance bekommen, mit Tigerhaien zu tauchen. Die Wochen voller Vorbereitungen und Planung, um dies zu erleben, sollten sich nun endlich auszahlen.
Auge in Auge mit einem Spitzenprädator
Während Tim sich vor allem fotografisch auf diesen Moment vorbereitet hatte, und unzählige Bilder anderer Fotografen analysierte, wälzte Julia schon Monate zuvor Bücher, um möglichst alles über die Tiere zu lernen und schaute jedes Video über Dos und Don’ts beim schwimmen mit Haien, welches sie im Internet finden konnte. Dennoch war die Aufregung groß, als wir am nächsten Morgen unser erstes Tigerhai-Briefing von Tom und Jono erhielten und uns klar wurde, dass wir diesen Spitzenprädatoren bald Auge in Auge gegenüber sein würden.
Teil des ersten Briefings waren nicht nur wichtige Hinweise zu den Tauchgegebenheiten, dem Ablauf und wie wir uns bei einer Sichtung verhalten sollten, sondern es folgte auch ein Check Dive, bei dem die Guides unsere Tauchfähigkeiten einschätzen konnten und die Ausrüstung gecheckt wurde, ehe es zu den Haien ging. Zu sehen wie viel Wert bei PWYL auf Sicherheit gelegt wurde und zu wissen, dass mit unserer 8-köpfigen Gruppe, in der sich auch ein ausgebildeter Rettungsschwimmer befand, insgesamt 4 Guides tauchen würden, nahm mir meine anfängliche Nervosität, doch die Aufregung blieb groß.
Nach dem Check Dive und einem weiteren Tauchgang zur Mittagszeit, hieß es am Nachmittag endlich, dass wir nun den Tigerhai-Tauchgang angehen würden.
Die Fahrt zum Tauchspot dauerte gefühlt nur einen Wimpernschlag, denn direkt hinter dem Hafenbecken hieß es, wir sollen ins Wasser springen. Zuerst gingen zwei der Guides zu beiden Seiten des Bootes ins Wasser und stellten sicher, dass nicht direkt unter dem Boot der erste Hai auf uns wartete. Nun durften wir rein. Ab dem Moment, wo wir im Wasser landeten, waren wir dazu angehalten unseren Blick stets nach unten und aufmerksam um uns herum zu halten. Langsam sanken wir am Riff hinab, sodass wir zu unserer Rechten das Riff und zu unserer Linken den offenen Ozean hatten. Und tatsächlich, bereits nach wenigen Metern des Tauchens in Richtung Eingang des Hafens, erblickten wir den ersten Hai hinter uns. Zuerst sahen wir ihn nur schemenhaft, doch sehr schnell war klar: das hier passiert jetzt wirklich! Da sind direkt neben uns Tigerhaie und die sind nicht mehr zu vergleichen mit den kleinen Riffhaien, die wir sonst so oft bei unseren Tauchgängen sahen.
Mit pochendem Herzen mussten wir uns schon regelrecht zwingen, nicht vor Aufregung die Luft anzuhalten. Der Hai zog an uns vorbei und verschwand wieder im Blauen. Nach ca. fünf Minuten schwimmen erreichten wir das Hafenbecken. Wir positionierten uns wie zuvor besprochen nebeneinander, mit dem Rücken zum offenen Ozean und den Blick Richtung Hafeneingang gerichtet. Dort gibt es auf ca. 07-10 Metern Tiefe einen kleinen Steinhaufen, unter dem die Köder platziert werden. Damit wird verhindert, dass die Tiere direkt aus der Hand oder Köderboxen gefüttert werden und gleichzeitig müssen die Tiere sich ihr Fressen noch immer zu einem Teil „erarbeiten“ und gelangen nicht zu leicht daran. Ich war eine der letzten in der Gruppe, die an der Stelle ankam, weshalb ich auf meiner Rechten nur noch Dani hatte, der ebenfalls für PWYL arbeitet und ein ausgebildeter Tauchguide ist. Tim saß zu meiner Linken.
Alle paar Sekunden schwenkten wir den Blick in alle Richtungen, doch keine Haie in Sicht. Also schwamm Lonu, einer der Guides und eine Legende auf Fuvamulah, zu dem Steinhaufen und gab mit seinem Atemregler ein Signal an die Oberfläche. Kurz darauf fuhr ein Boot über uns hinweg und ein Fischkopf wurde direkt über Lonu ins Wasser geworfen. Dieser fing ihn gekonnt auf, platzierte den Kopf so schnell es ging unter den Steinen und zog sich zügig wieder zurück.
Was uns anschließend wie eine Ewigkeit vorkam, dauerte dann doch nur wenige Minuten, bis die ersten Haie auftauchten. Und auch wenn uns bewusst war, dass sie auch nah an uns heran kommen würden, setzten dennoch unsere Herzen für einen Schlag oder zwei aus, als der erste Tigerhai direkt auf uns zu schwamm und erst 1-2 Meter vor uns abdrehte. Für diesen ersten Tauchgang mit Tigerhaien wurden wir gebeten diesen ohne Kamera zu absolvieren, damit wir uns ganz auf den Moment einlassen und ihn genießen können. Und auch wenn unsere Fotografen-Herzen bluteten, so sind wir gleichzeitig unheimlich dankbar für diese Entscheidung, da wir den Tauchgang ganz fest in unserem Kopf gespeichert haben.
Wie man richtig mit Haien taucht
In der ganzen Zeit in der wir bei den Haitauchgängen vor dem Hafenbecken die Tiere beobachteten, waren immer zwei Guides hinter unserer Gruppe und zwei Guides zu unseren Seiten. Zusätzlich waren die beiden erfahrensten Taucher unserer 8-köpfigen Truppe immer am Rand. Und natürlich behielten auch wir anderen immer die Augen in alle Richtungen offen, denn bei solchen Tauchgängen ist es die Verantwortung eines jeden einzelnen, immer zu 100% aufmerksam zu sein. Schnell merkten wir, dass unsere Guides wirklich Profis im Umgang mit den Haien sind und lernten in der Woche sehr viel von ihnen zum richtigen Verhalten beim Tauchen mit Prädatoren. Das wohl bemerkenswerteste war, dass in der gesamten Zeit unter Wasser, keiner unserer Guides je in eine Situation geriet, wo er den Hai hätte umlenken, also berühren müssen. Oft reicht es schon, den Tieren wenn sie näher kommen, in die Augen zu blicken, und sie wenden sich ab. Viel zu oft sieht man auf YouTube und Instagram Videos, in denen die Tauchenden die Situationen provozieren, um die Haie umlenken zu müssen. Doch jede Berührung mit Meereslebewesen sollte vermieden werden. Wichtig ist auch, sich nicht plötzlich hektisch zu bewegen, sondern ruhig zu bleiben. Und immer, auch wenn ein Hai sich nähert, den Rest der Umgebung weiter im Blick zu behalten, denn man weiß nie, ob nicht noch ein zweiter Hai aus einer anderen Richtung heran geschwommen kommt.
Die Tigerhaie von Fuvamulah
Die Geschichte der Tigerhaie Fuvahmulahs und ihre Verbindung zu den Menschen der Insel ist bereits über 600 Jahre alt, als die Fischer begannen, ihre Fischreste täglich am Hafen ins Wasser zu werfen und damit den Haien eine regelmäßige leicht zu erhaltene Mahlzeit boten. Tigerhaie sind Opportunisten. Das bedeutet, sie ergreifen jede Gelegenheit, um an leichte Beute zu kommen, für die sie nicht viel Energie aufwenden müssen und suchen sich aus Fischschwärmen meist kranke und alte Tiere aus. Dies wiederum ist wichtig, damit die Fischbestände gesund bleiben. Neben Meeressäugern und Schildkröten steht auch Aas auf ihrer Speisekarte, womit die Haie den Ausbruch und die Verbreitung von Krankheiten verhindern. Als an der Spitze der Nahrungspyramide stehende Tiere regulieren Haie die Populationen ihrer Beutetiere, halten diese in einem natürlichen Gleichgewicht und verhindern somit eine zu starke Vermehrung solcher Arten. Damit spielen Tigerhaie eine bedeutsame Rolle im marinen Ökosystem.
Durch die Fischreste, die regelmäßig am Hafen im Wasser landeten, wurden die Tigerhaie zu einem festen Bestandteil Fuvahmulahs und es dauerte nicht lange, bis die Fischer begannen, die Haie zu jagen, vorrangig, um mit dem Öl aus ihrer Leber ihre Boote wasserfest zu versiegeln. Viele Jahre wurden aus diesem Grund die Tiere getötet, ehe 2010 die Hai-Fischerei in allen maledivischen Gewässern verboten wurde und ein mutiger Mann der Insel beschloss, mit den Tieren tauchen zu gehen. Sein Name ist Lonu und zum Erstaunen aller Inselbewohner, überlebte er seinen ersten Haitauchversuch und wiederholte ihn wieder und wieder, bis er 2015 „Shark Island Dive“, die erste Tauchschule auf Fuvahmulah, eröffnete. Seitdem hat sich das Hai-Tauchen auf der Insel fest integriert und ist zu dessen Markenzeichen geworden. Shark Island war geboren.
Da die Haie es seit Generationen gewohnt sind, Fischreste am Hafenbecken zu erhalten, nutzen die ansässigen Tauchschulen dies, um den Tauchenden ein unvergessliches Erlebnis mit den Haien zu ermöglichen. Sollten nicht sowieso schon Tigerhaie am Zugang des Hafenbeckens anwesend sein, werden einzelne Fischköpfe, die Abfälle der lokalen Fischerei sind, ins Wasser gelassen und von den Guides unter den bereits erwähnten kleinen Steinhaufen gelegt. Sind die ersten Haie da, werden auch keine weiteren Fischreste mehr ins Wasser geworfen, sondern die Tiere werden in Ruhe und mit großer Achtsamkeit beobachtet.
Probleme Fuvahmulahs
So entwickelte sich eine Insel mit einer Jahrhunderte alten Geschichte der Haijagd, zu einer Insel, auf der eine Co-Existenz mit den Haien ein wesentlicher Bestandteil der lokalen Wirtschaft geworden ist. Denn selbst wenn man die rein wirtschaftliche Seite des Hai-Tourismus betrachtet, ist es wesentlich lukrativer mit einem Hai immer wieder Geld zu verdienen, indem man Touristen die Möglichkeit gibt mit Ihnen zu tauchen, als wenn man den Hai tötet und somit nur einmal mit ihm Geld zu verdienen. Allerdings gibt es weitere Bedrohungen für die Tiere und alle anderen Meereslebewesen Fuvahmulahs, die nicht weniger gefährlich als die Haijagd für sie sind. Auch auf einer kleinen Insel wie Fuvahmulah ist der Konsum von in Plastik verpackten Lebensmitteln allgegenwärtig und es gibt wenige Wasserfilter, sodass Trinkwasser zumeist aus Einweg Plastikfalschen getrunken wird. Jedoch fehlt die notwendige Infrastruktur, um diesen Müll zu recyceln. Daher wurden die Müllberge der Insel mit den Jahren größer und größer und vieles davon landet immer wieder im Meer, entweder durch den Wind oder wird durch Sturmfluten abgetragen oder von Menschen direkt ins Meer geworfen. Und auch wenn der Eco-Tourismus zum Schutz der Haie beiträgt, bringt er auch seine Schattenseiten mit sich. Denn mehr Touristen auf der Insel bedeuten auch mehr Plastik und die Gefahr ist immer groß, dass die Tauchgänge schnell im Massentourismus enden, wo Tiere bedrängt werden und die Sicherheit der Tauchenden in Gefahr gerät.
Doch es gibt viele Menschen, die sich für die Haie einsetzen und versuchen den Tourismus nachhaltig zu gestalten. Einer dieser Menschen ist Jono Allen, der 2020 das erste Mal auf die Insel kam und dort Lonu kennenlernte. Nach einigen Tagen, die die beiden gemeinsam Tauchen gingen, kam es zu einer schicksalhaften Begegnung. Die beiden waren noch auf dem Boot, als sie einen Walhai entdeckten. Als Jono im Wasser einen Blick auf das Tier warf, sah er, dass es komplett mit großem Plastik-Fischergarn umwickelt war. Er rief Lonu zu, er bräuchte schnell ein Messer und Lonu sprang ohne zu zögern mit halb angezogenen Neoprenanzug ins Wasser und befreite das Tier, das sich bereits in 10 Meter Tiefe befand, mit nur einem Atemzug aus seiner tödlichen Plastikfalle. Dieses Erlebnis hat Jono und Lonu so sehr ergriffen, dass die beiden beschlossen, den Plastikmüll der Insel zu bekämpfen.
Jono und Lonu gründeten gemeinsam die Fuvahmulah Marine Foundation (FMF), dessen Ziel es ist, das marine Ökosystem um Fuvahmulah zu schützen. Einer ihrer größten Erfolge dabei war ein gemeinsames Abkommen mit den ansässigen Tauchschulen, bestimmte Regeln zum Schutz der Tiere und Tauchenden festzulegen. So dürfen nun nicht mehr mehrere Tauchgruppen gleichzeitig am Hafenbecken tauchen. Jede lokale Tauchschule hat pro Tag zwei Zeitslots. Diese können bei gegenseitigem Einverständnis untereinander getauscht werden. Tauchgruppen von Außerhalb z.B. von Liveaboards, müssen sich Zeitslots erkaufen und wenn keine lokale Schule ihre abgeben möchte, dann dürfen sie nicht tauchen.
Ein weiteres großes Ziel der Stiftung ist es, alle Plastik-Wasserflaschen von der Insel zu verbannen. Dazu werden an verschiedenen Orten und in Kooperation mit Restaurants und Hotels Wasserfilterstationen errichtet. Natürlich ist so ein ambitioniertes Ziel nicht von einem Tag auf den anderen erreicht und braucht Zeit. Doch mit der Unterstützung von Organisationen wie PWYL, die einen großen Teil ihrer Einnahmen an die FMF spenden, sind bereits 7 solcher Stationen installiert worden (Stand April 2024). Auch ein beträchtlicher Teil des von uns gezahlten Preises für diese Reise, wird durch PWYL direkt an FMF gespendet, um weitere Trinkwasserfilter zu ermöglichen.
Darüber hinaus gründete Jono 2023 gemeinsam mit einer Hand voll lokaler Wissenschaftlern und Hai-Experten Miyaru Programme, einen maledivischen Verein mit der Mission, gemeinschaftlich Hai-Populationen zu studieren, Daten über sie zu sammeln und sie zu schützen. Ein wichtiger Baustein ihrer Arbeit ist dabei ihr data-sharing basierter Ansatz, über welches sie wissenschaftliche Paper und Artikel, Interviews mit Experten sowie eine Übersicht über Forschungsprojekte teilen.
Was wir über Tigerhaie gelernt haben
All diese wertvollen Fakten und Hintergründe lernten wir in unserer Woche auf der Shark Island, wenn Tom und Jono nach einem Tag voller Tauchgänge Präsentationen hielten, Ausflüge mit uns zur Mülldeponie der Insel unternahmen oder uns zu Veranstaltungen anderer lokaler Organisationen und NGOs wie Manta Trust und lokaler Haiforschungsprojekte brachten. Und so lernten wir nicht nur über die Bestrebungen zum Schutz der Tiere unfassbar viel, sondern auch über die Tiere selbst.
Was Tigerhaie in den Augen vieler besonders fotogen macht, sind natürlich ihre wundervollen Streifen entlang ihrer Flanken. Umso jünger die Tiere, umso deutlicher ist die Ausprägung der Streifen und mit zunehmendem Alter verblassen sie mehr und mehr. Und die Streifen sehen nicht nur toll aus, sie haben auch einen wichtigen Nutzen: Sie dienen vor allem zur Tarnung. Da besonders die Jungtiere sich vermehrt in Regionen mit Licht- und Schattenmuster wie Korallenriffen, Seegraswiesen oder sandigen Böden aufhalten, nutzen sie die Streifen um mit ihrer Umgebung zu verschmelzen.
Doch die Streifen sind nicht ihre einzige Superpower. Wie andere Haie auch, haben Tigerhaie einen sechsten und siebenten Sinn: der elektrische und der Druckwellensinn. Über sogenannte Lorenzinische Ampullen am Kopf können die Tiere elektrische Felder wahrnehmen. Da jedes Lebewesen solche Felder durch Muskelkontraktionen, wie zum Beispiel den Herzschlag, produziert, können die Tigerhaie so andere Tiere lokalisieren, sogar wenn diese sich tarnen oder verstecken. Mit ihrem Seitenlinien- und Grubenorgan hingegen können die Haie Druckwellen spüren. Das hilft ihnen dabei sogar über große Distanzen hinweg verletzte Fische zu erkennen, die sich hektisch im Wasser bewegen. Diese besonderen Fähigkeiten machen Haie zu echten Spitzenprädatoren und verlangen gleichzeitig von uns Tauchern, immer Aufmerksam zu sein, wenn wir mit ihnen schwimmen. Denn auch wenn wir nicht auf ihrer Beuteliste stehen, kann ein neugieriger Tigerhai auch uns Menschen gefährlich werden, wenn wir nicht wissen, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten müssen.
Um Fuvahmulah herum findet man vor allem (ca. 85%) weibliche Tigerhaie. Und unter ihnen auch immer wieder trächtige Tiere. Es wird vermutet, dass die Weibchen den Ort vor allem aufgrund des reichen Nahrungsangebots und wärmeren Gewässern aufsuchen, die die Entwicklung der Embryonen im Mutterleib fördern. Tigerhai-Weibchen gebären ca. alle 3 Jahre und sind ovovivipar, was bedeutet, dass ihre Jungen zwar in Eiern heranwachsen, sie jedoch noch im Mutterleib dotterernährt ausgebrütet werden und dort auch schlüpfen.
Und trotz der recht großen Würfe mit 10 bis 82 Jungtieren pro Wurf, wird der Tigerhai von der IUCN als potenziell gefährdet eingestuft. Dies hängt unter anderem stark damit zusammen, dass die Tiere 3 Jahre brauchen, ehe sie fortpflanzungsfähig sind und in dieser Zeit leider oft Opfer der kommerziellen Fischerei werden. So landet er nicht nur immer wieder als Beifang in großen Netzen, sondern wird auf für seine Flossen gezielt gejagt und ist darüber hinaus auch sehr beliebt als Trophäe bei Freizeit-Fischern. Mehr Informationen über Bedrohungen von Haien und ozeanischer Megafauna finden sich auf dieser Seite.
Aus diesem Grund sind Orte wie Fuvahmulah von besonderer Bedeutung für den Erhalt der Art. Ein Ort, wo die Tiere anstatt gejagt bewundert werden und zusätzlich alles getan wird, um die lokale Bevölkerung und Touristen über Schutzmaßnahmen aufzuklären und weitere Bedrohungen wie Umweltverschmutzung zu bekämpfen.
Über neue Freundschaften, unvergessliche Begegnungen & tanzen im Regen
Unsere Tage auf der Insel vergingen wie im Flug und waren definitiv viel zu schnell vorbei. Doch einige Erlebnisse werden uns definitiv für immer in Erinnerung bleiben: Zum einen gab es einen Tauchgang mit der besten Sicht, die man sich vorstellen kann und daraus folgend den perfekten Fotos. Zudem unternahmen wir an unserem vorletzten Tag einen besonderen Tauch-Ausflug an die Riffkante, wo wir die Tiere aus der Tiefe hochkommen sehen konnten. Nie werden wir den Moment vergessen, als nicht nur einer oder zwei, sondern vier wunderschöne Tigerhaie von unten auf uns zu kamen und eins der Tiere wirklich erst in letzter Sekunde abdrehte. Gemeinsam mit unserer kleinen Gruppe und unseren großartigen Guides tanzten wir nach diesem unvergesslichen Tauchgang im strömenden Regen auf unserem kleinen Dhoni (maledivisches Boot). Voll mit Endorphinen und Adrenalin wussten wir noch in diesem Moment, dass dieses Erlebnis uns für immer verbinden wird und wir waren froh, dass wir diesen Besonderen Tauchgang mit neuen Freunden und gleichgesinnten Ocean Lovern erleben konnten.